Wo ist Gott?:Eine Existenzfrage
Der November, mit den vielen Gedenktagen, Allerheiligen, Allerseelen, Volkstrauertag, Totensonntag, erinnert uns daran, dass wir endlich sind und an die, die schon durch das große Tor des Todes gegangen sind. Einige von uns haben Menschen durch den Tod verloren oder sind schwer erkrankt. Täglich hören wir erschreckende Nachrichten aus den Kriegsgebieten der Welt. Da kann sich schon die Frage nach dem Warum stellen und die Frage: „Wo ist Gott, angesichts von Leid, Trauer und Angst?“ All das, was über die Jahre so sicher war, bricht dann auf einmal weg, und die Gegenwart Gottes verdunkelt sich. Wo ist da Gott? Jesus selbst hat diese Frage am Kreuz herausgeschrien.
Das Hadern, Fragen und Klagen darf angesichts des Leids sein. Die Psalmen sind dafür ein gutes Beispiel. Es muss herausgeschrien und geweint werden. Die Frage ist nur, möchte man dabei stehen bleiben? Jakob im Alten Testament kämpft mit Gott und schlussendlich sagt er: „Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn.“ (1. Mose 32,27). Vielleicht kann das eine Brücke sein.
Simone Weil, die große französische Philosophin und Mystikerin, ist davon überzeugt, dass, trotz des Gefühls der Abwesenheit Gottes, Gottes Liebe in besonderer Weise im Leid anwesend bleibt. Wenn Gott wesenhaft Liebe ist, dann ist er gerade dann, wenn wir es nicht spüren, ganz nahe. Reinhard Mey drückt es in einem seiner Lieder so aus: „Es ist ein eigenartiger, schöner Trost,… dass man das schwächste seiner Kinder, das zerbrechlichste immer ein bisschen inniger, ein bisschen zärtlicher liebt.“ Wenn uns Menschen das gelingen kann, umso mehr Gott. Gott ist da und ummantelt uns mit seinem Trost und seiner liebenden Gegenwart. Auch dann, wenn wir auf die Frage „Wo ist Gott?“ keine Antwort finden.
Dr. Barbara Geis