Fastenzeit - eine Liebesgeschichte
Eine merkwürdige Überschrift für eine Zeit, die eher streng daher kommt. Sie ist eine Einladung, über das wichtigste Gebot Jesu nachzudenken: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit all deinen Gedanken. Das ist das wichtigste und erste Gebot. Ebenso wichtig ist das zweite: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“ (Mt 22,37-39).
Fangen wir hinten an. Um das Gebot der Liebe erfüllen zu können, müssen wir uns erst einmal selbst lieben. Schauen wir in den Spiegel und lassen uns zurufen: so sieht der Mensch aus, den Gott liebt, mit allen Macken, mit allen Fehlern. Das bin ich, und ich bin geliebt und darf mich selbst annehmen und lieben, weil Gott zu mir Ja sagt.
Das führt uns zum ersten Teil des Gebotes: Du sollst Gott lieben. Wie kann das gehen? Schauen wir uns nicht nur im Spiegel an, sondern schauen wir auch in unser Herz. Spüren wir eine Sehnsucht und lassen ihr in der Stille Raum? Versuchen wir nicht, sie mit Suchtmitteln oder Aktionismus zu töten. Halten wir uns aus, halten wir unsere Sehnsucht nach Gott wach. Gott hat mit unserer Sehnsucht eine Spur zu sich gelegt.
Dann wird es möglich, den mittleren Teil des Gebotes zu verstehen. Unsere Verwandlung verwandelt auch unsere Beziehung zum Nächsten. Es geht um misericordia – Barmherzigkeit. Hier sind zwei Worte miteinander verknüpft: cor - Herz und miser – denen es miese geht. Die Nöte des Nächsten und der Welt gehen nicht mehr achtlos an uns vorbei, sondern berühren unser Herz und fordern uns zum Handeln auf.
Die 40 tägige Fastenzeit schenkt uns Zeit, dieser besonderen Dreiecks-Liebesgeschichte zwischen mir – Gott – und dem Nächsten nachzuspüren.
Dr. Barbara Geis