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Interview mit Pfr. Thorsten Aymanns zum Veränderungsprozess im Bistum Aachen

Aymanns.Thorsten

Unser scheidender Pfarradminstrator, Pfarrer Thorsten Aymanns wird sich in nächster Zeit ganz auf seine Hauptaufgaben im Generalvikariat als Abteilungsleiter Strategiemanagement, und in der Lenkungsgruppe des „Heute bei Dir“ Prozesses fokussieren. Bevor er uns verlässt hat er sich zu einem Interview zu den Themen dieses Veränderungsprozesses bereit erklärt:


FRAGE: Aus etwa 70 „Gemeinschaften der Gemeinden“ im Bistum Aachen sollen etwa 50 „Pastorale Räume“ werden. Wer arbeitet diese Neu-Strukturierung aus, in welchem Zeitrahmen und wann sollen die GdGs aufgelöst werden und die „Pastoralen Räume“ zu arbeiten beginnen?

Pfr. Aymanns: Der Synodalkreis hat uns im Beschluss Pastorale Räume den Auftrag gegeben bis zum 1.1.2024 ca. 50 Pastorale Räume einzurichten. Der Beschluss selbst gibt schon die Orientierung am Sozialraum vor. Die Zahl 50 gibt einen Hinweis auf die Größe. Weitere Kriterien werden bis Ende 2022 auf Bistumsebene festgelegt. Hierbei werden pastorale Fragen und auch die zur Verfügung stehenden Ressourcen eine Rolle spielen.

 

FRAGE: Wie unterscheiden sich „Pastorale Räume“ grundsätzlich von GdGs – warum wurde ein neuer Begriff eingeführt?

Pfr. Aymanns: Die pastoralen Räume werden zukünftig die Ebene der territorial verankerten Pastoral sein. Auch Personal und weitere Resourcen werden hier angebunden. Insofern sind sie eine Nachfolgestruktur der GdG.  Ihre Aufgabe ist es aber vor allem die „Orte von Kirche“ in ihrem Bereich zu vernetzen und zu fördern. „Orte von Kirche“ haben dabei keine Grenzen, die sich auf der Landkarte festlegen lassen. Sie fragen nach den Menschen, die gemeinsam Kirche und Christsein leben wollen. Das darf auf ganz unterschiedliche Weise sein, ob als Gottesdienstgemeinde oder als digitale Community , als Freundinnen und Freunde christlicher Musik oder engagiert in der Caritas einer Stadt. Sie dürfen sich aber auch klassisch um einen Kirchturm herum organisieren.

Gleichzeitig liegt im Pastoralen Raum ein großer Teil der Verantwortung für das Ehrenamt. Der Beschluss „Pastorale Räume“ wird nur wirksam zusammen mit dem Beschluss „Orte von Kirche“ und „Charismenorientierung im Ehrenamt“. Die Leitungsformen der Pastoralen Räume sollen zukunftsweisende Leitungsmodelle und die Mitverantwortung der Gremien gewährleisten.

 

FRAGE: Welche Aufgaben der heutigen GdGs werden die 8-13 Pfarren in Zukunft übernehmen?

Pfr. Aymanns: Die zukünftigen Pfarreien sind zunächst die kirchenrechtliche Größe.  Als Beispiel sei hier das Führen der Kirchenbücher genannt. Das Kirchenrecht schreibt der Pfarrei eine Reihe von Funktionen zu, die wir zukünftig in kleinen Räumen nicht mehr sicherstellen können. Insofern werden die Pfarreien vor allem die Ebene sein, auf der bsp. Fortbildung von ehrenamtlich Engagierten stattfindet. Auch Angebote der Katechese wird es hier geben, wenn dies auf der Ebene des Pastoralen Raums nicht sinnvoll oder möglich ist. Der Beschluss Pastorale Räume verlangt zügig zu klären, wie das Verhältnis von Pastoralem Raum und Pfarrei im Detail zu gestalten ist. Die Pfarrei ist nicht automatisch die Ebene der Verantwortung für alle Finanzen und weitere Ressourcen wie Gebäude. Der Beschluss Pastorale Räume möchte eine differenzierte Verantwortung für das Kirchenvermögen aufbauen, die auch die Verwaltung lokalen Vermögens (Bsp. Vermögen des Kirchengebäudes) vor Ort ermöglicht, wo dies möglich und gewollt ist.

FRAGE: Werden Vertreter der heutigen GdGs an der Entscheidungsfindung über die neuen Strukturen beteiligt? Zu welchem Zeitpunkt und in welcher Weise?        

Pfr. Aymanns: Es wird einen konkreten Vorschlag für den Zuschnitt der Pastoralen Räume geben, der dann auf der Ebene der Region mit den GdG beraten wird.

 

FRAGE: Was sind die Anforderungen an die Leitung eines Pastoralen Raums? Muss ein Priester der Leiter sein? Welche Gremien sind für die Pastoralen Räume vorgesehen?

Pfr. Aymanns: Der Synodalkreis hat diese Frage intensiv beraten und sehr konkrete Anforderungen formuliert, die ich hier zitiere:
„Die Leitung des Pastoralen Raums erfolgt durch ein Leitungsteam aus haupt- und ehrenamtlich Mitarbeitenden mit eigenen Strukturen einer notwendigen Koordination. Bei der Ausgestaltung der Ausführungsbestimmungen wird sich insbesondere an nachstehenden Kriterien orientiert:

  • paritätische Besetzung des Leitungsteams hinsichtlich des Geschlechts und des Anteils von Hauptamtlichen und Ehrenamtlichen
  • Gewährleistung der kirchlichen Grundvollzüge in Gemeinschaftlichkeit
  • Wahl der Mitglieder
  • Ernennung durch den Bischof
  • Gleichberechtigung der Teammitglieder
  • Ermöglichung von synodalem Handeln
  • Begrenzung der Amtszeit
  • Absicherung der pastoralen Grundvollzüge
  • Festlegung einer Aufgabenverteilung
  • Einbezug einer Verwaltungsleitung
  • Delegation von Aufgaben und Verantwortlichkeiten
  • Jährliche Rechenschaftslegung
  • Beteiligung von Ratsstrukturen bzw. Orten von Kirche“

Die Mitarbeit eines Priesters ist also möglich, sicher wünschenswert, aber nicht vorgeschrieben. Als Leitung im Sinne des klassischen Pfarrers ist er nicht vorgesehen. Wir bauen im Bistum Aachen auf Erfahrungen von Gemeindeleitung in Gemeinschaft auf, die sicher in die konkrete Umsetzung dieser Anforderungen eingehen werden.

 

FRAGE: Wie funktioniert nach Ihrer persönlichen Einschätzung Kirche im Bistum Aachen in 10-20 Jahren?

Pfr. Aymanns: Die Kirche im Bistum Aachen wird, wie die Kirche in Deutschland überhaupt, keine Selbstverständlichkeit mehr vor Ort und im Leben jedes Menschen sein. Die Zeit der Volkskirche ist zu Ende gegangen und sie wird nicht zurückkehren. Wahrscheinlich sind wir in 20 Jahren noch 500.000 Katholikinnen und Katholiken. Wir haben uns nominell halbiert und werden noch weniger. Die klassische Versorgung durch hauptberuflich in der Pastoral Arbeitende wird es nicht mehr geben. Das Geld das uns heute vieles selbstverständlich ermöglicht, wird immer mehr eine freiwillige Gabe und weniger eine Steuer sein. Von vielem, was wir für unaufgebbar hielten, haben wir uns verabschiedet. Glaubensweitergabe findet nicht mehr unbedingt dort statt, wo es ein Pfarrheim und eine(n) Pastorale(n) Mitarbeiter(in) gibt, sondern wo Christinnen und Christen ihren Glauben leben und davon erzählen. Dazu werden sie sich vernetzen und dazu bekommen sie Unterstützung. Wir werden wahrgenommen, wo wir glaubwürdig sind. Dazu gehört wesentlich auch unser caritatives Engagement. Wir werden als Kirche vielfältiger sein als heute und gelernt haben auch andere Formen des Glaubenslebens in der einen Kirche zu schätzen. Altes wird neben Neuem bestehen, aber nicht alles davon überall.  Wo Kirche lebt, wird sie dies in der Lebenswirklichkeit der Menschen von heute tun. Sie wird die Vielfältigkeit des menschlichen Lebens schätzen und akzeptieren. Wenn uns das nicht gelingt werden wir zur Sekte und bedeutungslos. Sicher wird es zu vielen Fragen noch Spannungen und Diskussionen geben. Die Bedeutung hierarchischer Entscheidungen wird dabei abnehmen. Wir werden gelernt haben zu diskutieren und synodal unterwegs zu sein. Wir werden unseren Sinn wieder mehr in der Gemeinschaft, im Evangelium und im Gebet finden.


Die Fragen haben Mitglieder der Gemeindeleitung gestellt,
M. Grande, M. Pankert, P. Schmitz, A. Scholly