Das Fenster, hinter dem Marmorambo im Altarbereich angeordnet, gibt durch seine Position unmittelbar hinter dem Lesepult sein Thema selbst vor: Die Heilige Schrift - das Alte Testament durch eine Schriftbahn in Hebräisch (links), das Neue Testament durch eine Seite der Gutenberg-Bibel in Latein (rechts). Die Zeilenanfänge beider Schriften beginnen in der Mitte der Fensterfläche (Der hebräische Text wird von rechts nach links gelesen!) so, dass hier ebenso wie im Südfenster die Symmetrie betont wird. Im oberen Drittel hinter den beiden Bibelschriften erscheint die Handschrift Philipp Neris, hier als Ausdruck der unverfälschten Mentalität des Heiligen. Die ”Entflammung durch das Wort”, dort wo die drei Texte sich berühren, durch ein helles, feuriges Rot angedeutet, steht für die Auffassung Philipp Neris (...), dass jeder so spreche wie er sich persönlich innerlich gedrängt fühlt, wie es ihm der Heilige Geist eingibt (...). Die Grün-Töne, im unteren Bereich allmählich in Weiß übergehend, symbolisieren das ”Wachsen” (Hoffnung) des Heiligen Geistes im Menschen. Grün, aus Blau und Gelb, der Verbindung von Himmel und Erde zusammengesetzt, ist auch als mystische Farbe zu sehen.
Dass der Lichteinfall hinter dem Ambo von der Gemeinde als zu hell, zu blendend empfunden wurde, macht es erforderlich bzw. erlaubt es, in dieser Situation mit Walzbleiflächen zu arbeiten, in denen die einzelnen Buchstaben als lichte Öffnungen in Erscheinung treten. Das verwendete Opakglas bewirkt einen gedämpften, ruhigen Lichteinfall, zumal das Fenster nach Norden kein direktes Sonnenlicht erhält.
”Das geschriebene Wort ist eben nicht mehr nur Wort, es ist bereits Bild (…)”
(Johannes Schreiter, 1988)
Bei den verwendeten Bibeltexten geht es nicht um eine bestimmte Stelle oder Passage, vielmehr soll die Schrift als Schrift-Bild gesehen werden. Die beiden Schriftarten, die wir nur als Ausschnitt in der Fensterfläche sehen, sollen stellvertretend für das Alte und für das Neue Testament stehen. Sie sollen hier also nicht gelesen, sondern gesehen werden.
Dazu noch einmal Johannes Schreiter (Zitat):
(...) ”Mir geht es mit alten Schriftdokumenten so, dass mich die rein bildhafte Seite dieser Schriften bereits ganz und gar sättigt, die Neugier auf ihre intelligible Botschaft also weitgehend ausbleibt.” (1993)
Eine Schrift kann aber nur dann vom Betrachter als Bild wahrgenommen werden, wenn der Drang, sie zu lesen, dies nicht verhindert, wenn er das Bildhafte nicht verdrängt. In dieser Weise kann also eine unbekannte, altertümliche, nicht auf Anhieb lesbare Schrift als Muster, als Ornament oder wie hier, als bildhaftes Symbol aufgefasst werden.